Interview Teil 2

Die Apotheke der Zukunft

Die Transformation zur multidimensionalen lokalen Marke

Die Apotheke wird im Zuge der Digitalisierung zur zentralen Schnittstelle zwischen den beteiligten Institutionen. Neben der Bewältigung der technischen Herausforderungen ist die engagierte soziale Kommunikation mit den Patient:innen ein maßgeblicher Erfolgsfaktor.

Teil 2

W:
Sie betreiben als KOSMOS Apotheke Bremen auch einen Online Shop. Wie sieht diesbezüglich Ihre Strategie aus? Wachsen die beiden Stränge zusammen, oder erreichen Sie mit den Angebotsformen unterschiedliche Kundengruppen?
Lohnt sich der Fokus auf preisbewusste Online-Kunden, oder ist der Shop ein Baustein im lokal orientierten Markenbild Ihrer Apotheke?

S:
Ja, genau, „Baustein“ ist da ein treffender Begriff. Wir betreiben den Shop (zumindest derzeit) nicht mit dem Ziel, Online-Kunden in ganz Deutschland zu gewinnen. Wir konzentrieren uns auf unser regionales Einzugsgebiet und steuern das Marketing selbstverständlich rund um den Standort entsprechend scharf aus. Aber mit dem Online-Shop geht es wieder um die Rundum-Präsenz, um eine sehr gute Sichtbarkeit an den Stellen, an denen die Kund:innen aktiv werden. Die Kund:innen sollen lernen, dass die KOSMOS Apotheke in der Lage ist, sie überall dort mit ihren Bedürfnissen „abzuholen“, wo sie sich gerade befinden. Das schafft Vertrauen. — Egal, ob es um ein E-Rezept geht, dass Kund:innen über eine App einlösen möchten, ob sie ein bestimmtes Medikament vergleichsweise günstig nach Hause geliefert haben möchten, oder ob sie eine individuelle kompetente Beratung vor Ort in der Apotheke erhalten möchten.
Diese unterschiedlichen Kanäle schließen sich nicht aus und müssen nicht erst zusammenwachsen. Alle diese Optionen gehören inzwischen zum vom Kunden gewünschten und genutzten Repertoire.

W:
Was braucht es alles, um eine sehr gute Sichtbarkeit zu erreichen?

S:
Ich denke, die gute Vernetzung verschiedener Aktivitäten ist essentiell. Ich meine damit sowohl digitale als auch analoge Formate. Wir kombinieren Unternehmens- und Shop-Website, Experten-Blog, Newsletter und Social Media Präsenzen mit Flyern, Kundenmagazin und weiteren analogen Medien und entfalten so eine für den Verankerungsprozess der Marke wertvolle Dynamik.
Natürlich muss dieser „KOSMOS“ stetig und kreativ mit Inhalten versorgt werden, die ihre Entsprechung dann in der realen Welt bei den Bedürfnissen der Kund:innen und am Point of Sale in der Apotheke finden. Hierfür steht optimalerweise ein abgestimmtes Set an Werkzeugen und Medienformaten zur Verfügung, die eine zielgerichtete Umsetzung nach einem Marketing- und Aktionsplan ermöglichen.
Als Basis für eine sehr gute Online-Sichtbarkeit dient zudem das Suchmaschinenmarketing. Die Auffindbarkeit der Apotheke unter den ersten Suchergebnissen (auf Google, Bing o. a.) ist wichtig, da von der Kundschaft hierüber etliche weitere Aktionen ausgehen. Die Apotheke sollte über die Eingabe geeigneter Keywords, die ihre Kernkompetenzen widerspiegeln gefunden werden.
Aufbauend auf dieser „Toolbox“ können regelmäßig, z. B. monatlich Multichannel-Kampagnen initiiert werden, die spezifische eigene lokale, saisonale oder allgemeine Gesundheitsthemen zum Inhalt haben. Diese Kampagnen sollten immer medienübergreifend verlaufen und nach Möglichkeit regional und ggf. auch zielgruppenspezifisch so genau wie möglich gesteuert werden.
Hierbei helfen z. B. Regionalisierungsoptionen und Ausssteuerungsmechanismen bei der Schaltung von verschiedensten Online Kampagnen, z. B. bei Suchmaschinen, Lokalzeitungen, großen Magazinen oder Werbeanbietern für die Ausspielung aller Arten von Anzeigen, Bannern, Texten und Teasern.
Eine ideale Ergänzung dazu ist die korrespondierende zeitgleiche Ausspielung von Teasern, Clips oder Anzeigen über Displays und Video-Channels in lokalen Einrichtungen wie Einkaufszentrum oder Passage.

W:
Eine weitere Möglichkeit, mehr Sichtbarkeit zu entwickeln, können auch themenspezifische Kampagnen in Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie sein. Dazu würde ich sehr gern noch Ihr Fazit aus jahrelanger Erfahrung hören. Wird man als gut sichtbare regionale Marken-Apotheke von den Herstellern hofiert?

S:
Als Apotheke wollen wir in erster Linie neutrale Berater unserer Kund:innen sein und uns nicht von Herstellern instrumentalisieren lassen. Aber Hersteller suchen natürlich stetig nach Anknüpfungspunkten über die sie Aufmerksamkeit bei den Konsument:innen für ihre Produkte generieren können. Und im Gegensatz zu Online-Arzneimittelversendern bieten die Apotheken vor Ort einen viel direkteren Zugang zu potentiellen Kund:innen. Insbesondere die Apotheken mit einer überdurchschnittlichen Sichtbarkeit sind da besonders attraktive Partner und werden entsprechend häufig zu solchen Themen angesprochen. Hier würde ich mir allerdings manchmal noch mehr Initiative und Fantasie der Hersteller wünschen, aber das wäre ein Thema für ein weiteres Interview.

W:
Mit Ihren Ausführungen haben Sie einen sehr anschaulichen Überblick über die Herausforderungen und Chancen durch die Digitalisierung für die Apotheken gegeben.
Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach mittel- bis langfristig diese Entwicklung der Apotheke fortsetzen? Welche Tendenzen zeichnen sich aus Ihrer Sicht möglicherweise bereits jetzt schon ab? Wie kann die Apotheke in der Zukunft erfolgreich bestehen?

S:
Die Zukunft der Apotheke wird einerseits stark von der weiteren Digitalisierung geprägt sein. Wir können bereits einen Trend zur verstärkten Nutzung digitaler Lösungen beobachten, sei es für die Online-Beratung oder die elektronische Rezeptabwicklung. Auch die Integration von Künstlicher Intelligenz und Robotik kann in Zukunft eine größere Rolle spielen. Andererseits wird es wichtig sein, dass die Apotheke ihre persönliche und individuelle Betreuung der Kund:innen konsequent fortführt und ausbaut. Dabei wird es auch darauf ankommen, das Kund:innen und Patient:innen die Apotheke in Zukunft nicht nur als Ort wahrnehmen, an dem man Medikamente kauft, sondern als den Ort an dem man niederschwellig und ohne Umstände wichtige Informationen und kompetente Beratungsangebote rund um Gesundheit und Prävention erhält. Gerade die Prävention, also die Verhinderung von Krankheiten, wird in Zukunft in unserem stark belasteten Gesundheitssystem an Relevanz gewinnen. Hier werden Apotheken aufgrund ihrer Beratungskompetenz und der örtlichen, aber auch der emotionalen Nähe zu den Kund:innen eine wesentliche Rolle spielen.

In diesem Zusammenhang wird auch das Erscheinungsbild der Apotheke als das Unternehmen »hinter« der Leistung oder dem Produkt immer wichtiger. Die Unternehmensidentität hat einen kaum zu überschätzenden starken Einfluss auf Entscheidungen, sei es die Kaufentscheidung oder die Entscheidung eine Beratung wahrzunehmen. Leistungen und Produkte verändern sich, aber das Unternehmen mit seiner Markenwirkung bleibt als Konstante bestehen. Dessen Positionierung innerhalb unseres Wertesystems ist ein wichtiges Entscheidungskriterium. Aufgabe der Unternehmenskommunikation auch in einer Apotheke ist es, eine geeignete Positionierung zu etablieren, stetig zu optimieren und der Zeit anzupassen. Ein wesentliches Ziel ist dabei der Aufbau von Vertrauen in die Unternehmensmarke.

W:
Vielen Dank, Dr. Schwenzer, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns diese interessanten Einblicke zu gewähren. Das war ein sehr aufschlussreiches Interview mit vielen wertvollen Informationen und praxisorientierten Hinweisen.

S:
Vielen Dank für die Einladung. Es war mir ein Vergnügen, über dieses komplexe und interessante Thema zu sprechen.

Lesen Sie auch die übrigen Teile des Interviews. Hier gelangen Sie direkt dorthin:

© Interview mit Dr. Stefan Schwenzer und Frank Wohlgemuth. Teil 3 veröffentlicht am 08. April 2024, Teil 1 u. 2 veröffentlicht am 10. September 2023, alle Rechte vorbehalten

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